Ich sitze am Steuer des Mercedes, neben mir ein bewaffneter, glatzköpfige Bulle. Während seine Waffe noch ein wenig nervös in seiner Hand tänzelt, teilen sich unseren Rücksitz schweigend Polizistin und Gefangene. Der Motor ist aus, das aufgesetzte Blaulicht läuft, beleuchtet rythmisch und mit einem ganz leisen, schabenden Geräusch die Szenerie. Ich zerbreche mir fieberhaft den Kopf, wie man so eine Automatik eigentlich fährt. Vor uns steht ein Rettungswagen, daneben Christoph Maria Herbst und der King. Gleich starten wir durch, doch erstmal beobachten wir noch ein bisschen die dubiosen Gestalten, die plötzlich auf den Bahngleisen vor uns uns aufgetaucht sind, und uns anstarren. Mein Beifahrer vermutet, dass sie sich vermutlich die zwei Kilo Koks schnappen wollen, die im Bahnhof gebunkert sind. Und jetzt das: Überall Polizisten. Unser Auftrag lautet trotzdem Abfahrt, ich starte den Motor, D wie Drive, Ton ab, und bitte!
Hört sich an wie im Film und ist auch einer: Anfang der Woche erlebte ich zwei komplette Drehtage hautnah am Set von an „King Ping“, Untertitel: Himmel, Tal und Treppentod. Eine skurille Krimikömödie in und aus Wuppertal. Nicht nur „Schwebebahnstadt“, sondern auch Filmstadt: Schließlich wurden im San Franciso des Bergischen schon „Manta, Manta“, „Barfuss“ oder „Aimée und Jaguar“ gedreht.
.(Fotos: Komparsen und Drehort Mirker Bahnhof, Wuppertal)
Die Story
Clemens Frowein, mit Spitznamen „King“, ist Kommissar geworden, weil er noch an die Gerechtigkeit glaubt. Die stellt ihm allerdings eines Tages ein Bein, und er wird vom Dienst suspendiert. Als Trostpflaster gründet er die Internetplattform „Bullenjagd.de“, auf der Bürger Polizisten bei Verkehrsverstößen fotografieren und filmen. Seine wahre Berufung findet er als Pinguinpfleger im Wuppertaler Zoo. Es könnte alles so schön sein, bis sich sein Ex-Kollege auf einer Treppe (im Stadtjargon Tippen-Tappen-Tönchen, jetzt wohl eher Tippen-Tappen-Tödchen) das Genick bricht. Auf eigene Faust beginnt King in Sachen Mordfall zu ermitteln…
Die Produktion
Bereits seit Ende Januar laufen die Vorbereitungen der Rex Film Produktion GmbH für „King Ping – Himmel, Tal und Treppenmord“ auf Hochtouren, nun wurde an 24 Tagen (und Nächten) gedreht. Die Produktion ist mit einem Etat von 250.000 Euro gestartet. Obwohl die finanziellen Mittel ausschließlich aus Sponsoring und Crowdfunding stammen – große Unterstützung gab es auch von der Wuppertaler Wirtschaft – tut das dem Streifen keinen Abbruch: „Wir machen auch ohne die offiziellen Filmförderungen einen richtig guten Kinofilm“, betonen die Produzenten Dirk Michael Häger (neben Drehbuch auch der Bulle neben mir in der Eingangsszene) und Christoph Schmidt. Regie führt Claude Giffel, freischaffender Regisseur und Drehbuchautor, der bereits an zahlreichen „Tatorten“ mitgewirkt hat, und mit KingPing seine Kinopremiere feiert. Besonders gefreut habe ich mich über Regieassistentin Bahram Ebrahim, die bereits vor kurzem noch für JAFE Alexander Marcus „Glanz und Gloria“ in Berlin drehte.
Ein tolles Kinoerlebnis verspricht auch die brilliante Besetzung: Neben Bela B. von den Ärzten ist auch Wuppertaler und „Stromberg“-Urgestein Christoph Maria Herbst zu sehen sein. Die Hauptrolle spielt NRW-Schauspieler des Jahres 2008 Sierk Radzei, neben Ann-Kathrin Kramer als Doba, daneben Hans-Martin Stier, Godehard Giese und Marcia Golgowsky (die ich noch aus ganz alten Internetprovidertagen kenne, unsere Wege sich aus drehbuchtechnischen Gründen leider nicht trafen). Das professionelle Team arbeitet für eine Aufwandsentschädigung plus Gewinnbeteiligung.
Der Film wurde ausschließlich in Wuppertal aufgezeichnet. Im Tal reihen sich herrschaftliche Villen an leer stehende Fabrikhallen – die kontrastreiche Stadt eignet sich hervorragend als Kulisse. So entsteht ein ein realistischer Ermittlungs-Thriller, der vor schrägem Humor und überzeichneten Figuren strotzt. Bis der Film im Februar 2013 in die Kinos kommt, fließt noch jede Menge Wasser die Wupper runter. Um sich die Zeit ein wenig zu verkürzen, können Cineasten einen Blick in das Produktionstagebuch auf Facebook werfen. Hier erfährt man alles Wissenswerte über Dreh, Set und Crew.
Der Dreh
Auf der Rückfahrt vom Syltlauf rief mich die Motiv-Aufnahmeleiterin und Regieassistentin Bahar an, und frage, ob ich Anfang April Zeit für zwei Drehtage hätte. Hatte ich. Wir verabredeten, dass sie sich nochmal kurz vorher meldet, wann (und wo) es losgeht. Film ist eine ziemlich flexible Angelegenheit, so erfuhr ich dann montagabends, dass wir am am Dienstag um 14:30 Uhr starten, was sich morgens noch auf 12:00 Uhr verkürzte.
Ich spiele einen Zivilpolizisten, daher die Bitte der Produktion, in Lederjacke und Jeans zu erscheinen. Idealerweise bringe ich ein bisschen Auswahlklamotten mit, und verzichte auf (sichtbare) Markenkleidung, Karos oder andere Muster. Was ein wenig die Auswahl einschränkt, am Ende finden uns Bahar und die echten Polizisten am Set auf Anhieb authentisch als ziviles Komparsenkollegenquartett, starring Quasiprofi Michael (I), Immobilienmakler Michael (II), Indoorcycletrainer Volker und mir. Schöne Grüße an euch von dieser Stelle, es war wirklich eine tolle Zeit!
Wir verstehen uns auf Anhieb alle gut, und überbrücken die Wartezeiten zwischen den Drehs mit Bekanntwerden (untereinander), Bekanntmachen (meist Michael I), Beobachten (Profis, Crew und Zuschauer) und blöden, investigativen Blogrecherchefragen (ich). Die Sonne scheint, wir stehen auf dem Balkon des Mirker Bahnhofs.
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(Fotos: Mirker Bahnhof, Drehort Bar, Revolver-Requisite, Dreharbeiten WDR).
Gedreht wird zwar nicht in 3D, aber digital. Aufnahmeleiter Arven verrät, dass die Kamera erstmals bei Fluch der Karibik zum Einsatz kam. Spitzentechnik, die ihren Preis hat – allein der Body der RED ONE Mysterium X kostet so viel wie ein Mittelklassewagen. Am Set ist jede Menge hochwertiger und interessanter Technik im Einsatz, die häufig auch der sofortigen Kontrolle des Drehmaterials dient, darunter zahlreiche Monitore und Panels. Natürlich spielt neben Bild auch der Ton eine Hauptrolle, so dass selbst während der Innendrehs auch draußen Silencium angesagt war. Ob Martinshorn oder Muldenkipper: So manche Außengeräusche stellten die Nerven der Tonmeister auf eine harte Probe.
Überhaupt vererbt sich meist jede Art von Verzögerung auf den weiteren Drehverlauf. Egal ob die Crew nach dem Mittagessen schwer wieder gemeinsam in die Gänge findet, oder Szenen wiederholt werden müssen: Drehtage dauern manchmal länger, als ursprünglich geplant. Beim Innendreh geht das Zeitgefühl verloren, wenn die Szene durch die außen aufgebauten Scheinwerfer innen taghell erleuchtet wird. Das Licht hat eine ganz ähnliche Farbtemparatur wie die Sonne, außen ist man während der Pausen plötzlich erstaunt, dass es dämmert oder dunkel ist. Meist werden Szenen aus verschiedenen Perspektiven gedreht, Stichwort Schuss und Gegenschuss. Den Filmemachern fallen natürlich immer neue Blickwinkel ein, die das Ergebnis für den Zuschauer später interssanter machen. Ihr kennt das ja: Die Schnittfolge moderner Serien oder Filme hat heutzutage nur noch wenig mit dem optischen und erzählerischen Tempo von Fury oder Lassie gemeinsam. So erklärt sich auch besser, warum gefühlte 50 Menschen am Set rund einen kompletten Monat arbeiten, um 90 Minuten fertiges Filmmaterial zu produzieren. Qualität braucht Zeit.
Das große Finale
Der erste Tag endet am späten Abend, am Mittwoch geht es gegen Mittag an gleicher Location weiter. Gedreht wird das große Finale, Showdown auf dem wildesten Hügel der Wuppertaler Nordstadt, wieder im und am Mirker Bahnhof. Der WDR dreht widerrum den Dreh und interviewt Christoph Maria Herbst vor Ort. Und wer genau hinguckt, entdeckt mich hier im Hintergrund, hinter Herbst, zwischen den Autos und vor dem Bahnhof.
Außen hui, innen pfui: Der ehemalige Wartesaal des Bahnhofs 1. Klasse ist – von innen – ein atemberaubender Platz. Alte Buntglasfenster, eine aufwändig gearbeitete Holzdecke mit diversen Schnitzereien und die Reste einer angefangenen viktorianischen Bühne. Erinnerungen einer Kirche. Maroder Charme des halb Fertigen und Verfallenen. Das Beleucherteam hat das Motiv für den Dreh extra spannend in Szene gesetzt, mit volumetrischem Licht zum Niederknien, rays of light, durch und dank Nebelmaschine und stadiontauglichen Scheinwerfern von draußen. Die Guten und die Bösen in King Ping, hier begegnen sie sich, wollen strafen, rächen, töten. King alias Sierk Razei mischt da natürlich wieder mit vollen Körpereinsatz mit, da er kurz vor der Lösung des Falls steht. Sicher ist jedenfalls, dass hier jeder Verdächtige mindestens eine Leiche im Keller hat. Die Frage ist nur: Wo ist der Keller? Und wie voll ist er eigentlich?
Antworten liefert das Duell im alten Bahnhof, wo sich die Stars (im Film King, Sander, Schulte-Sander, Ahaus, Doba, David und Engels) die Klinke beziehungsweise Knarre in die Hand geben. Als dann später der ganze Spuk erledigt ist und Polizisten, Krankenwagen und andere Zuspätkommer anrücken, „freut“ sich das ganze Team auf die ersten echten Regentropfen im Film. Der Ruf der Stadt, Niederschläge biblischen Ausmaßes zu bieten, hatte in den letzten Drehwochen bereits arg gelitten. Wie soll man einer Filmcrew, die aus Köln, Berlin, Teheran oder sonstwo her kommt, klar machen, dass während der kompletten Drehzeit kein einziger Tropfen fällt, obwohl es das in Wuppertal de facto nicht gibt?
Regen fällt, Vorhang fällt
Krönender Abschluss der Drehwochen also Regen und Kälte, doch im Herzen der Crew zog die wohligste Wärme ein: Was maßgeblich daran lag, dass um 00:23 Uhr die Schlusskappe fiel. Nicht irgendeine, nein, DIE Schlussklappe des letzten Drehtages, des letzten Bildes von King Ping. Sie haben es wirklich geschafft, nach fast drei Jahren Vorbereitungszeit und vielen Höhen (und Tiefen). Dank maximaler finanzieller und ideeller Unterstützung zahlreicher Fans, unangefochten der Absage der Filmförderung. Sie haben daran geglaubt und dafür gekämpft. Dank Ihnen ist der King im Kasten.
Wenige Stunden saß ich noch im Mercedes, fuhr in einem der letzten Takes meine Filmkollegen vom Schauplatz des Duells, des Verbrechens, der scene(s) of crime. Ein ganz kleiner Ausschnitt hier am Anfang von vielen spannenden und aufregenden Stunden und Szenen am Set. Ich darf nicht zu viel verraten. Weil ich auch weiß, wie es ausgeht. Und wenn ich was verraten würde, kämen sie wieder. Keine Treppe wäre mehr sicher. Doch ich will will weiter Laufen, so wie im Tatort-Vorspann. Beim Brötchenfassen am Buffet sinierte der eigentlich ziemlich sympathische Bösewicht in der Drehpause laut neben mir: „Zeit ist der Besten Gottes“. Da gebe ich ihm gerne Recht, verstehe es aber auch als Warnung, unbedingt dichtzuhalten, bis der Film 2013 in den Kinos anläuft. Premiere feiert er in Wuppertal, wo sonst?
(Fotos: Dreharbeiten hinter dem Mirker Bahnhof, ich ;-))