Noch ist Alles Gute für die Geburtstagskinder nicht verklungen, noch schwelgt Papaya in Erinnerungen ans Drachenbootrennen. Die Partygranaten Homo Dance und 1,2,3 schubst eh niemand vom Thron. Wirklich niemand? Für Freunde elektronischer Tanzmusik heute ein ernsthafter Tipp: Wer damals Steve Mason auf BFBS mochte, wird Joachim Garraud lieben!
Vorweg: Gestern ging es auf zum langen Dauerlauf, 140 Minuten. Seit jeher gehöre ich zu der kleineren Fraktion, der beim Laufen optisch und taktil die Natur geniesst, akustisch aber auf Konserven zurückgreift. Da zieht sich in der Läufergemeinschaft ein kleiner Graben, die Puristen verzichten auf Musik, und als Discoboy hat man da manchmal fast ein schlechtes Gewissen unterwegs. Grüßen geht natürlich trotzdem, vom Beat darf man sich nicht zu sehr treiben lassen, und nicht ganz umsonst verbieten einige Laufveranstalter Profis MP3 als unzulässiges Doping. Kurz gesagt, man ist einfach unterhaltsamer und ausdauernder mit Mucke unterwegs.
Im Winter gab Daft Punk Grip und Energie, der Sommer ist bestimmt durch Joachim Garraud: Der französische DJ betätigt sich als als Remixer und Producer von Stars wie David Guetta, Moby, Jean-Michel Jarre oder David Bowie. Sehr beliebt ist seine wöchentliche Radioshow auf Radio FG, in der neue Mixe, „Zemixx“, veröffentlicht. Mittlerweile sind 300 Stück auch als Podcast verfügbar, die Länge liegt jeweils bei einer Stunde. Garraud ist bekannt für seine energetischen Sets, die zudem sehr bildhaft um die Ecke kommen, da er Sounds und Visuals nutzt, die völlig neue im (House)Genre sind.
Für mich eine der persönlichen Entdeckungen des Jahres. Nicht jeder der Remixe ist mein Geschmack, nicht jeder Mix hält das Tempo. Nummer 298 war am Wochenende aber genau richtig für die eingangs erwähnten 20 Kilometer auf 2,5 Stunden – beginnend mit R3hab (The Bottle Song), Daft Punk (Deerezzed im Paulette & Michael Kaiser Mix), über Jacob van Hage (Synthomanic), Autoerotique (Bubonix Original Mix, sehr geil), The KLF (What Time is Love, im Joachim Personal Rmx 2006) und den Chemical Brothers (Doesn´t Matter, ebenfalls Joachim Garraud Rmx).
Die Folge gibt einfach eine Stunde lang Gas, und ist stellenweise sprichwörtlich zum Schreien gut. Ich musste mich jedenfalls sehr beherrschen, nicht mitten im Wald laut herumzujubeln, da Garraud bei den Sets stellenweise immer noch einen drauflegt, und das zusammen mit der Bewegung an der frischen Luft schon ein extrem schönes Erlebnis ist. Drei, vier Stellen der Ausgabe sind auch für Schauer über den Körper gut – ein untrügliches Zeichen für akustische Qualität beim Laufen, schlicht unbezahlbar. Music made for running. Sogar mit dem deprivativen Erfolg, phasenweise das Laufen völlig vergessen zu machen. Solche Momente sind Training ausgesprochen selten und kostbar. Schön auch der Kontrast zwischen urtümlicher, bergischer Landschaft und internationaler, treibender Akustik. Ich sag´s ja immer wieder, mit Musik laufen, ist wie Tanzen, nur gut getarnt. Diese silent-disco-Trendscouts wissen schon, was sie tun.
Wer jetzt akustisches Blut geleckt hat, schmeisst einfach mal sein iTunes an, und hört rein. Oder schaut rein. Komplett kostenlos.