Dritte Station des #Travelthons: In Abu Dhabi gibt´s diesmal Hotelkritik wie bei Holidaycheck, Benimm wie bei Knigge, ÖPNV günstiger als mit Schocko-Ticket und Alarm wie bei Cobra 11….
Terminal
Die Abreise aus Afrika hatte es wie berichtet in sich. Wähnte ich mich morgens um 05:00 Uhr in Sicherheit, wartete anschließend die große Langeweile: Der Weiterflug nach Abu Dhabi war für 09:20 Uhr angesetzt, jedoch bereits zu früher Stunde als „delayed“ deklariert. Und relativ schnell war klar, dass damit 17:20 Uhr gemeint war…
Nach der aufregenden Nacht schreckte mich das nicht mehr. Allerhöchstens wäre zu überlegen gewesen, was man mit der vielen freien Zeit am Flughafen anstellt. So groß und modern O. R. Tambo in Johannesburg auch ist, seine Möglichkeiten bei der Freizeitgestaltung sind endlich. Nach 2 Stunden sind alle Ecken und Winkel ausgekundschaftet, die Konsumgütergeschäfte an Flughäfen rocken mich ganz grundsätzlich nicht, und die Aussichtsplattform vis-a-vis zum wunderschönen Sonnenaufgang bietet nur überschaubare Action.
Glücklicherweise handelt Etihad die Wartezeit souverän, lädt alle Passagiere zum Frühstück ein und chauffiert uns anschließend in ein nahegelegenes Hotel, wo wir uns frisch machen / schlafen / zu Mittag essen / die Gegend erkunden können. Nicht unbedingt alles auf einmal, dafür reichen am Ende effektiv 4 Stunden nicht aus. Entscheide mich für Frische und Schlaf, gegen 15:30 Uhr piept schon wieder der Wecker.
The Etihad Experience
Der Flug nach Johannesburg hatte zwar Verspätung, war im Anschluss jedoch genau deshalb ausgesprochen angenehm. Viele Passagiere haben umgebucht oder noch eine weitere Nacht in Afrika verbracht, weshalb das Flugzeug noch nicht mal zu einem Drittel gefüllt war. Was ganz neue Möglichkeiten eröffnete: Damit nicht genug, dass der Platz neben mir frei blieb, und ich mich dementsprechend räkeln, recken und strecken konnte. Es blieben daneben zahlreiche Mittelreihen (mit je 3 Plätzen) frei, die von vielen Passagieren zum Schlafen zweckentfremdet (?) wurden. Schlaf wäre sicher auch für mich eine gute Idee gewesen, doch
- möchten Reiseberichte schließlich auch mal geschrieben werden (zum Surface unten mehr),
- ist das bordeigene Entertainmentprogramm nicht übel (u. a. 12 Years a Slave (ansehen!), Frozen (für die Kleinen), Hobbit: Desolation of Smaug (noch nicht geschafft), Captain Philips (solide und mit Bezug zu unseren Flugrouten), All Is Lost (die Kargheit gefiel, doch m. E. kein Meisterwerk, auch wenn Robert Redford exzellent den einsamen Segler in Seenot mimt) Elysium (noch nicht geschafft und ebenso wie der Hobbit lieber „on the big screen“), Gravitiy (must-see, idealerweise in 3D und ebenfalls nur im Deluxe-(Heim)-Kino) – und noch sehr viel mehr Filme, darunter auch Arthouse oder Europäisches Kino (zum Beispiel der russische Film „Marathon“ von Mikhail Porechenov (so viel zur Definition von „Europa“ der UAE) oder „La Grande Boucle“ (internationaler Titel: Tour de Force). Musik gibt es additiv auch, selbst Heino oder Helene Fischer sind im Angebot. Mein Favorit: Live-Kamerabilder um das Flugzeug herum sowie Echtzeit-Informationen zur Flugroute – und natürlich die heißen, feuchten kleinen Handtücher, die zur Erfrischung bei Etihad gereicht werden.
- Angesichts von Flugzeiten von mehr als 8 Stunden reicht die Zeit theoretisch für viele Filme aus, meine persönliche Aufnahmekapazität ist jedoch begrenzt. Mehr als einen Film kann ich auf einem Flug nicht verarbeiten. Zudem gibt es ja immer mal wieder Unterbrechungen durch Getränke, Essen, Aus-dem-Fenster-schauen, Fotografieren, Gespräche oder das WC. Kurzum ist das Entertainmentprogramm einfach sehr kurzweilig.
- Kann ich im Flugzeug gar nicht schlafen. Erstaunlicherweise klappt es anderswo und zudem meist ungewollt ohne Probleme: In afrikanischen Greyhoundbussen, arabischen Taxen oder Stundenhotels aufgrund von Flugverspätung für einen kurzen Nachmittag. Eventuell misshagt mir auch einfach die Vorstellung, in Morpheus Schoß zusammengesunken im Sitz mit offenem Mund von den durchweg hübschen Stewardessen gesehen zu werden. So viel Anstand muss sein (finde ich / andere nicht / jeder, wie er mag). Selbst ein Nachtflug wie dieser von JHB nach ABH ändert daran interessanterweise nichts – das Gefühl war dank des gedämmten Lichts , Decke(n) und viel Platz ausgesprochen „cosy“. Der angenehmste Flug auf allen Reisen bislang.
Arrive in Abu Dhabi
Jede Reise findet ja mal ihr Ende, so auch dieser Flug. Abu Dhabi empfängt uns mit angenehmen 25 Grad und niedriger Luftfeuchtigkeit, das Hotel im Komplex des National Exhibition Centers (NHC) begrüßt mich später mit 2 freundlichen Rezeptionistinnen. Unmittelbar gegenüber ragt der Capital Tower in die Höhe, das höchste geneigte Gebäude der Welt. Ein erster kleiner Ausblick auf die hier herrschenden Dimensionen. Doch erstmal ankommen:
Von allen Flughäfen auf der Reise ist der Trubel auf Abu Dhabi am größten. Charles de Gaulle in Paris ist typisch europäisch, die Seychellen wie erwartet klein und malerisch, Johannesburg überraschend modern. Am Flughafen der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate hingegen überall Bautätigkeit, aktuell scheinen die Kapazitäten kaum mehr auszureichen. Lange Schlangen gab es eigentlich überall auf der Welt, allerdings nur in Arabien getrennt Damen wie Herren bei der Personenkontrolle (relevant bei der Ausreise). Glücklicherweise ist so früh am Morgen auch hier nicht besonders viel los. Es bleibt genügend Zeit, sich mit anderen Fluggästen kurzzuschließen, um sich mit Seychellen-Silvia wieder ein Taxi zu teilen.
Morgens um 04:30 Uhr hieß es „Check in“ im Hotel. Es liegt verkehrstaktisch ganz günstig ein paar Kilometer außerhalb der Skyscraper-Promenadenmeile, auf halber Strecke zum Flughafen und in der Nähe einiger weiterer Sehenswürdigkeiten, die ich im Vorfeld auf Google Maps studierte, etwa die Große Moschee oder den Mangroven-Nationalpark. Allerdings muss ich auf der Karte bei der Kilometerskala geschlafen haben, da die Dimensionen vor Ort doch weitaus größer waren als noch mit dem Finger auf der Landkarte. Horizontal wie vertikal, aber darauf hatte ich es in Abu Dhabi ja auch abgesehen.
Wobei, einen kleinen Vorgeschmack bot schon die Anfahrt mit dem Taxi. Taxifahren ist in Abu Dhabi günstig. Für die Strecke von rund 25 Kilometern zwischen Airport und Hotel zahlen wir gerade mal 65 Dirham (beim Wechselkurs von 1 Euro zu 5 Dirham wenig mehr als 10 Euro). Meine Begleiterin und ich wollen uns den Betrag teilen, sie wird noch etwas weiter zu ihrem Hotel gefahren, doch der Fahrer kann den Betrag nicht splitten oder eine Teilabrechnung vornehmen. Was vornehmlich daran liegt, wie er in gutem Englisch erklärt, dass ihm als Airport-Taxi ausschließlich „drop-offs“ erlaubt sind, d. h. Direktfahren vom Flughafen zum Hotel. Eine zweite Fahrt von Hotel zu weiterem Hotel sei nicht erlaubt. Unsere kurze Unterhaltung sollte ein erster Vorgeschmack auf die fantastisch freundliche und zuvorkommende Art und Weise der Menschen dieses Landes sein…
(In dieser Minute fliegen wir gerade bei klarer Sicht über dem Irak. Sehe Bagdad und fotografiere die Boeing 747, die parallel und auf gleicher Höhe geschätzt 800 Meter entfernt fliegt. Zu allem Überfluss kommt die Schreiberei noch durch das Mittagessen zum Erliegen. Die ausgezeichnete Verpflegung bei Etihad hätte ein eigenes Kapitel verdient, stattdessen verlinke ich hier der Einfachheit halber mal auf die aktuelle Pressekonferenz in Sachen A380 und Komfort).
Surface on a plane
Mittlerweile steht das Microsoft Surface-Tablet wieder aufgeklappt vor mir. Es hat sich auf der Reise als sehr zweckmäßig erwiesen. Wichtig war mir ein kleines Packmaß, so dass ich es (neben den Kameras und weiteren wertvollen Dingen) unkompliziert im Handgepäck mitnehmen konnte. Die Akkulaufzeit ist gut, die Kombination aus echter Tastatur und Touch-Tablet inklusive vollwertigem Microsoft Word praktisch. 64 GB SSD bedeuten, sich bei den Bildern ein wenig zurückzuhalten – doch das gelingt ganz gut dadurch, das Rohmaterial zunächst direkt auf den SD-Karten zu sichten, und schlechte Fotos gar nicht erst zu übertragen. In Verbindung mit einigen 16 GB- und 32 GB-Speicherkarten genügend Kapazität selbst für 3 Wochen Reise.
Unter uns liegt gerade die Türkei, hinter mir Abu Dhabi. Eindrücke so reich wie das Land selbst. Meine ersten Schritte an jeder Station der Reise machte ich wie immer zu Fuß. Weit hinten im Dunst der Wüste konnte ich die Skyline mit den vielen Wolkenkratzern ausfindig machen. In Google Earth sah alles noch so nah beieinander aus, jetzt erscheint es mir als große Distanz, kaum sinnvoll zu Fuß zu bewältigen. Ich probiere es trotzdem, möchte die Luft atmen, die Sonne spüren, das Land und die Stadt riechen, hören, fühlen.
Lore-ipsum.ae
Diesen Weg ziehe ich allemal einem klimatisieren Shuttle vor, selbst wenn das Hotel eins hätte. Ginge ich nach dem TV-Guide im Hotel, der mich digital mit allen seinen Infos und Services und Preislisten vertraut macht, sollte es eigentlich existieren. Gern hätte ich es für den Folgeabend gebucht, um die größte Mall der Stadt zu besuchen. Doch an der Rezeption weiß man von nichts.
Zweifle an mir selbst, mache einen Screenshot des Angebots und frage erneut nach. Wiederholt verneint die Rezeption – dieses Angebot sei ihnen unbekannt. Neben der wegen Umbauarbeiten geschlossenen Dachterrasse (auf die ich mich bei der Buchung sehr gefreut habe), mangelhaftem Room-Service (Tag 1 gar nicht, Tag 2 halbherzig), knackenden Lampen im Zimmer und losen Halterungen im Bad Servicemängel, die eines 4-Sterne-Hauses eigentlich nicht würdig sind. Zum ersten Mal auf der Reise bin ich von einer Unterkunft enttäuscht – noch dazu in Abu Dhabi. Ursprünglich hatte ich hier keine Namen genannt, finde es aber einfach zu amüsant, dass offensichtlich wohl auch auf der Website parallel Renovierungsarbeiten stattfinden. So sieht es mit der Platzhaltergrafik und dem lateinischen Lore-ipsum-Text jedenfalls schwer aus. Kann passieren, Aloft.
Hinzu kommt, dass es Probleme mit dem Frühstück gibt. Ursprünglich nur als Überachtung gebucht, erkundigt sich die Rezeption nach meinen Wünschen. Da es ohne Essen nicht geht, nehme ich gern das Angebot an, per Kreditkarte Frühstück & Co hinzuzubuchen. Es muss am langen Flug, den wechselnden Wechselkursen und der frühen Stunde liegen, dass ich erst im Zimmer bemerke, dass mir 500 Dirham abgebucht wurden – rund 100 Euro bzw. 500 Dirham (in Afrika wären das noch wenige Stunden zuvor in Rand gerade mal 10 Euro gewesen). Eine ganze Menge nur für ein bisschen Breakfast. Oder hatte ich AI überhört`Nehme mir vor, es am nächsten Morgen zu klären.
Nach gerade mal 4 Stunden Schlaf zieht es mich am ersten Tag zwecks Frühstück in´s Restaurant. Am Eingang wird obligatorisch die Zimmernummer zwecks Zugangsberechtigung gecheckt, mir allerdings der Eintritt höflich verwehrt. Verweise mit vorgelegter Quittung auf meine Zahlung, muss mich jedoch erneut an die Rezeption wenden. Sie erklärt mir, es sei lediglich „Pre-Paid“ und lediglich für Bestellungen ins Zimmer oder im hoteleigenen Take-Away gedacht. Beides mit hohem Preisniveau, außerdem steht mir der Sinn nach Gesellschaft. Höchst unzufrieden angesichts einer solchen Inflexibilität beschließe ich, mir das ungenutzte Guthaben vollständig erstatten zu lassen, und nach Verpflegung in der Stadt zu suchen.
Wer ist ohne Fahrschein im Autobus?
Zu Fuß mache ich mich auf, viele Kilometer Richtung City. Die Sonne brennt und wie bereits erwartet hupt mich alle paar Minuten ein Taxi an, um auf sich aufmerksam zu machen. Doch ich brauche Bewegung und möchte hautnahe Eindrücke sammeln. So führt mich der Weg am Vormittag durch die Vororte von Abu Dhabi, vorbei an öffentlichen Einrichtungen, Regierungsgebäuden, Botschaften, Schulen, Häusern und Parks.
Allerdings wollen die Wolkenkratzer einfach nicht wirklich näherkommen. Erschwerend kommt in Abu Dhabi hinzu, dass die Straßen nicht wirklich für Fußgänger ausgelegt sind. Mit aktuellen Temperaturen von mehr als 30 Grad ist momentan Winter. Im Sommer steigen sie auf 40 bis 50 Grad – Air-Condition ist daher allgegenwärtig. Die Bürgersteige sind schmal und oft versperren mir Mülltonnen den Weg. Häufig sind die Straßen kilometerlang schnurgerade und Übergänge für Fußgänger rar gesät, was entweder Umwege oder schnelle Beine erfordert. Straßenquerungen sind dennoch trotz 4 bis 5 Spuren keine besonders gefährliche Angelegenheit, da die Araber sehr gesittet fahren, was verschiedene Gründe hat.
Zufällig begegne ich einer Bushaltestelle und überlege, ob das nicht eine weitere gute Möglichkeit wäre, Land und Leute kennenzulernen. Mittlerweile bin ich weiter ab vom Schuss, so dass die omnipräsenten Taxis Mangelware sind. Der Busfahrplan erschließt sich erstaunlich schnell, die Taktung ist exzellent. Sicher werde ich doch beim Fahrer einfach bezahlen können?
Falsch gedacht: Zwar kommt der moderne und klimatisierte Bus, doch der Fahrer scheint sich überhaupt nicht für mich zu interessieren. Verdutzt setzte ich mich, noch mit dem Geldschein in der Hand. Schaue mich um, mache ein Foto und bekomme dann einen kleinen Schreck, da ich im vorderen Teil des Busses Platz genommen habe: Die vorderen Plätze sind „Ladies only“, Männer sitzen (oder stehen, je nach Tageszeit) hinten. Warum das so ist, weiß ich zwar nicht genau, habe aber eine eigene These entwickelt: Um einen besseren Blick auf die Damen zu haben.
Also schnell einen Platz weiter hinten gesucht, und überlegt, wie das hier eigentlich läuft. Andere Fahrgäste scheinen eine elektronische Karte zu haben, die zugleich über einen Transponder oder NFC zum Öffnen der Türen genutzt werden kann. Ohne jedwedes Ticket erwarte ich sekündlich eine Kontrolle und im Anschluss die Verbringung in ein arabisches Gefängnis. Nervös arbeite ich gedanklich von Station zu Station an der richtigen Exit-Strategie. 5 Kilometer später scheint mir der richtige Zeitpunkt in der moralischen Abwägung zwischen Schwarzfahren und Fortkommen erreicht, um auszusteigen – quasi schon beinahe in der City. Dabei ist nichts weiter nötig als einfach 2 Dirham (etwa 50 Cent) in die Box beim Einstieg zu werfen. Kein Beleg nötig, scheinbar noch nicht mal wirklich 2 Dirham .
Tourist Guy
Den Mittag bringe ich damit zu, Abu Dhabi zu entdecken und weder die Beine noch die Kamera zu schonen. Die Stadt macht einen sehr lebendigen und geschäftigen Eindruck, die Menschen wirken trotz des Trubels entspannt. Das Sicherheitsempfinden ist ausgezeichnet, ohne Sorge führe ich die schwere Spiegelreflex per praktischen Sun-Sniper-Strap offen an der Hüfe. Freie Hände, Sturzprävention und Diebstahlschutz in einem, auch wenn die Heike das mit dem Sturzschutz nicht uneingeschränkt bestätigt.
Auf der Suche nach Motiven meide ich selbst verwinkelte Hinterhofstraßen nicht, auch wenn die Ecken und Menschen um zwei bis drei Stufen dunkler wirken als auf den Zubringerstraßen und Boulevards.
Abu Dhabi wirkt auf mich ein bisschen wie die Mischung zwischen dem Frankfurter Bankenviertel und der Wuppertaler Gathe. Das Straßenbild wird dominiert einerseits von den verspiegelten Fassaden der Hochhäuser, dazwischen zahlreiche Kleinstgeschäfte von Indern, Asiaten, Pakistanis, Persern und den obligatorischen globalen Systemgastronomie (Mc Donalds, Pizza Hut, Subway). Letztere meide ich, Hamburger kann ich wenn überhaupt schließlich auch zu Hause haben. Stattdessen treiben mich Hunger und Durst in einen von Asiaten betriebenen Supermarkt, wenig größer als die kleinste vorstellbare Edeka vom Dorf. Auswahl, Preise und Handling geben sich europäisch und so ist der Einkauf schnell erledigt. Nur Alkohol findet sich nicht, da die hierfür benötigten staatlichen Konzessionen in der Regel nur Hotels o. ä. haben. Zudem ist Alkohol recht teuer, ein Bier schlägt schon mal mit 5 Euro zu Buche.
Organisiere mir ein Taxi, das mich am Nachmittag durch den dichten Feierabendverkehr bringt. Fahrer Mohammed spricht ein bisschen Englisch und ist spätestens in dem Moment interessiert, als ich kurz mein Handy zücke, um ein dezentes Foto im Taxi zu machen. „iPhone“? fragt er, währenddessen er sein eigenes kleines Samsung-Handy im Schoß liegen hat und über seine Earplugs landestypisch und laut Musik hört. Ich verneine, liefere aber gleich alle Infos zum Google Nexus 32 GB 4G, auftragsgefertigt von LG, mit. Schon in Europa ist es aufgrund des reinen Direktvertriebs durch Google nicht so bekannt, schlägt aber bei Preis-/Leistung jedes Samsung locker. Allerdings scheint es hier gänzlich unbekannt zu sein, Mohammed verstummt jedenfalls. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, bis ich ein wenig pragmatischer in meinen Ausführungen werde, um ihm die verschiedenen Fotofunktionen (u. a. Panorama und Sphere) vorführe. Weitere Themen sind Familie, Kinder, seine 4 Frauen und die Populationsentwicklung UAE ./. GER. Die Fahrt zum Hotel vergeht wie im Flug, wieder einmal erweist sich ein Taxi als interkultureller kommunikativer Hotspot.
Weniger ist nicht immer mehr
Im Hotel genieße ich die Sonne am Pool. Eigentlich ein ganz normaler Pool, abgesehen von der Größe, der Tatsache, ihn überwiegend für mich alleine zu habe und innerhalb des Pools auch ein paar Bäume vorzufinden. Im Prinzip extrapoliert dieses poolgewordene Exempel konsequent die künstliche Flora in der Region. Wäre da kein Wasser, wären da keine Bäume, wäre da wohl nur Wüste. So ist einfach alles künstlich, und das ist (angesichts einiger schöner Stunden am Pool) gut so. Viel natürlicher gehen da einige Kilometer im Fitnesstudios (mit Blick auf den Pool) vom Fuß. Außerdem mit großem Gefallen sämtliche Geräte durchprobiert.
Kurzbeinige Sportbekleidung ist zumindest im Hotel kein Problem, doch draußen so zu laufen, wäre in Arabien ein absolutes Don´t, vergleichbar damit, dass ein Gast bei uns nur in Unterwäsche joggt. Geradezu obszön.
Gilt auch für den normalen Dresscode. Schäme mich in der Stadt fremd beim Anblick eindeutig europäisch aussehender Pärchen, von denen der Herr seinen Bierbauch in Shorts und Schläppchen spazieren trägt, die Dame des Hauses nicht vor Leggins und durchsichtiger Bluse zurückschreckt. In der Großstadt braucht man zwar nicht zwingend befürchten, deshalb von der Sittenpolizei angesprochen zu werden, doch nicht gerade freundliche Blicke und Tuscheleien der Einheimischen dürften einem sicher sein. Da fehlt es an Respekt vor den lokalen Gepflogenheiten.
Übrigens sollte man es andererseits auch nicht übertreiben: Der traditionelle Thawb, also das lange weiße Gewand (häufig mit der Kofia als Kopfbedeckung), ist die klassische Kleidung der Einheimischen. Wer als Gast zu ihr greift, sollte darauf achten, keinen „verkleideten“ Eindruck zu machen, und bestenfalls die Kopfbedeckung wegzulassen.
Marina Mall und Copacorniche
Mein Weg führt mich zum Abschluss nochmals in die Stadt. In der morgendlicher Rushhour inmitten tüchtigen Gedränges im Bus. Ein Taxi wäre mir auch sehr recht gewesen, doch sind sie während der Stoßzeiten nicht mehr ganz so leicht zu bekommen. Und 2 Dirham sind im Vergleich zu 35 Dirham (50 Cent zu 7 Euro) ja schon ein Wort. Wenn aus Sparen ein Sport wird…
Ausgedehnte Fototour und Besuch der Marina Mall: Den Rezensionen zur Mall kann ich soweit nur beipflichten – sollte man einmal besucht haben, ist aber angesichts der internationalen Marken eher etwas für Fashion- und Schmuck-Fetischisten. Das Preisniveau ist ungefähr auf Kö-Niveau, der Prunk auf angemessenem arabischen Level. Interessant ist die Aussichtsplattform im Marina Tower, die einen fantastischen Ausblick auf die Skyline von Abu Dhabi bietet. Den leicht überteuerten Eisbecher (11 Euro) im angeschlossenen Restaurant (Tiara) waren mit die Fotos wert. Dafür überblick man den Hafen, die Silhouette der Corniche (der Abschnitt heisst dort so, der Begriff ist allerdings generisch, kommt aus dem Französischen und bezeichnet eine Küsten-, Ufer- oder Klippenstraße), die Jumeira Etihad Towers (zu ihnen später noch mehr) und das vorgelagerte Emirates Palace. Der teuerste und luxeriöseste Hotelpalat der Welt. Ein unvergleichlicher Mix aus Moderne und Tradition unmittelbar beieinander, wie die ganze Stadt, das ganze Emirat, die ganze Region.
Utopia
Aus dem Flugzeug wird es später aus vielen Kilometer Entfernung nur wie kleines Spielzeug aussehen. Hier vor Ort ist es einfach nur atemberaubend und gigantisch. Das wechselnde Licht und die Stimmung vom Nachmittag über den frühen und späten Abend tut sein übriges. Die gesamte Skyline spielt mit Beleuchtung, der Sonnenuntergang im Meer ist fantastisch. Die Stimmung am „Strip“ einzigartig, die Menschen genießen den Sommerabend (obwohl gerade Winter bei 28° in Abu Dhabi ist, der Sommer naht mit Temperaturen weit über 40°), Sehen und Gesehen-Werden gilt auch für jede Menge Jetskis und Jachten im Wasser. Gefühlt Faktor 5 im Vergleich zu den Promenaden von Köln oder Düsseldorf.
Die Stimmung ist fröhlich, friedlich, freundlich – überall sieht man picknickende Gruppen und ausgelassen spielende Kinder. Augenfällig, dass dieses Land demographisch keine Probleme hat. Und vermutlich würden hiesige Muttis im Überforderungsfall hysterisch auf die Energie dieser Kinder reagieren. Hier flitzen sie wie junge Derwische herum, selbst wochentags nach 20:00 Uhr. Ein unwirklich schöner Abend in einer utopisch schönen Stadt.
Zum Abschluss des Abends besuche ich Ray´s Bar im 62. Stock der Etihad Towers. Meine Erwartungen sind hoch, genau wie die Bar selbst. Ich meine, was würdet IHR von einer berühmten Cocktailbar hoch oben in einem *******-Hotel mit Ausblick auf die nächtlich beleuchtete Skyline einer Weltstadt erwarten? Egal, wie hoch sie sind: Sie werden sicher nicht enttäuscht. Ausgezeichneten Reviews über Ray´s Bar sind alle wahr….
Ray´s Bar
Ein Tipp, falls ihr auch mal da seit: Um zur Bar zu kommen, geht durch die Lobby des Hotels. Dort einfach links zu den Aufzügen. Im Tower 2 seid ihr falsch. Ich spreche aus Erfahrung. Ihr könnt dort trotzdem den Aufzug benutzen, Stock 62 funktioniert ohne Codekarte aber nicht. Dafür einige Zwischenetagen, falls ihr einige Tastenkombinationen auf´s Geratewohl ausprobiert. Doch Vorsicht, es sind einige ziemlich exklusive Suiten dabei, auf deren Etagen einem dann auch mal komplett verschleierte Entouragen und andere, exotisch bzw. offizielle Gruppen begegnen. Nach einem ganzen Tag Stadtsafari, mit Kamerarucksack und ohne Thawb kommt man sich da fehlplaziert vor (was man ja auch ist Immerhin keine Shorts und Schläppchen an.). Frage gar nicht erst أينيمكننيالعثورعلىشريط und fahre lieber wieder in die Lobby. Lieber nicht Ray und Ruler verwechseln. Begegne bei der Abfahrt einem kleinen arabischen Jungen im Aufzug, der mich höflich auf Englisch anspricht, ob ich nach etwas suchte. Komme mir vor wie in der Matrix und erkundige mich höflich, ob er den Schlüsselmann gesehen habe.
Am Ende weist mir der Portier von Tower 2 den Weg. Nein, er steht sogar auf und begleitet mich ein Stück weit in die Hauptlobby. Es ist wohlgemerkt das dritte Mal, dass ich mich bei ihm erkundige. Während um mich herum gefühlt 20 Portiers Luxuskarossen empfangen und parken, werde ich also auf den rechten Weg geleitet. Was für ein nobler Moment gleich zu Beginn im Basement. Vorweg: Für die tolle Aussieht müsst ihr nicht zwingend in die Bar. Doch da das Observation Deck auf 300 Metern bereits um 18:00 Uhr schliesst, gab es am Abend keine andere Möglichkeit.
Der Aufzug fährt so schnell, dass ich schlucken muss, um den Druck in den Ohren auszugleichen. Die Türen öffnen sich und ich trete hinaus auf den Gang. Schon wieder so ein Matrix Moment. Es sieht so aus, als könne ich hier den Merowinger treffen. Das gleichermaßen kräftige und gut gekleidete Personal am Eingang vermutet analog wohl auch Waffen in meinem Rucksack, als sie mir anbieten, ihn abzulegen. Ein Angebot, was ich eigentlich nicht ablehnen kann, wäre da nicht die Kamera und das Stativ. So cool der Strip-Strap hier wär, ohne geht es bei der Dunkelheit nicht.
Eine gleichermaßen zierliche, freundliche, kommunikative und hübsche Servicekraft nimmt sich mir an und führt mich herum. Bei der Gelegenheit gibt sie mir Tipps für die besten Fotospots, was ich ebenso wie die auf mich einströmenden Eindrücke des Clubs phänomenal finde. Genauer gesagt bin ich in dem Moment etwas überfordert von den stilistischen Superlativen. Es stimmt einfach ALLES. Die Musik (House bis Minimal), der Ausblick, die Einrichtung (modern und edel), das Publikum (modern und edel und freundlich und kommunikativ), die Drinks (Happy Hour), das Essen (Wagyu Burger – sehr empfehlenswert, extrem köstlich) und die Sitzgelegenheiten (edel und gemütlich).
Komme ins Gespräch, während ich in einer Ecke Langzeitbelichtungen mit dem Stativ mache. Ein junger Mann fragt mich, ob ich für ein Magazin fotografiere? Leider nein, leider gar nicht, just private. Er empfiehlt mir einen Spot unten am Hafen, wo ich die ganze Skyline bekäme. Zeige ihm die Fotos, die ich bereits am Abend genau von dort gemacht habe. Er holt seine Gruppe, sie sind aus dem Häuschen. Unterhalten uns über Land und Leute, bin selbst einfach begeistert und hätte wohl als Europäer hier keine schlechten Karten. Lass uns in Kontakt bleiben, Ala‘ ad-Din.
Voller Eindrücke (und fantastischer Getränke) verlasse ich viel zu früh gegen 22 Uhr diesen Himmel auf Erden zurück Richtung Hotel. Um 04:30 Uhr klingelt der Wecker für den Rückflug. Primetime auf dem Strip, freie Taxis sind jetzt wirklich Mangelware. Laufe tiefenentspannt einen Kilometer entlang der pulsierenden Straßen inmitten dieser wunderbaren bei Nacht, bis sich endlich ein freies Taxi findet.
Alarm für Cobra 11
Lasse mich vom Fahrer einige hundert Meter vor meinem eigenen Hotel absetzen, um den Capital Tower bei Nacht zu fotografieren. Es ist das höchste schiefe von Menschen geschaffene Gebäude der Welt. Er ist Teil des Kongress- und Messezentrums am Rand des Botschafterviertels.
Die späte Stunde ist mir vollkommen egal. Dieses Gebäude ist gleichermaßen zu schön und zu besonders, um es dermaßen nett beleuchtet unfotografiert zu lassen. Angesichts der Dimensionen ist es außerdem nie mit einem einzigen Foto getan, da man aus der Nähe einfach mehrere Fotos braucht, um es komplett abzubilden (sprich die Bilder später zu einem Panorama zusammenzustitchen).
Technisch alles kein Problem, rechtlich durchaus. Entferne mich in der halben Stunde völlig versunkenen Fotografierens immer weiter vom Gebäude, und stehe mit dem Stativ irgendwann unmittelbar neben der Stadtautobahn. Noch über die Kamera gebeugt, um die letzte Aufnahme zu begutachten, bemerke ich plötzlich ein sich näherndes Blaulicht. Ungemach ist im Anmarsch, ein Polizeifahrzeug nähert sich, zwei klassisch gekleidete und sehr ernst dreinschauende Polizisten steigen aus dem mit „Traffic Control“ beschrifteten Einsatzfahrzeug.
Wähle die klassische und bewährte Eröffnungsvariante und zeige mich zugewandt und kooperativ. „What´s wrong? Sie erklären mir, dass hier Fotografieren verboten sei. Ob ich den Tower fotografiert hätte? Ja. „Show me!“. Ich zeige ihnen die letzte (verwackelte) Aufnahme. „Delete it“, werde ich aufgefordert. Bin heilfroh, dass mir nicht direkt Kamera oder Karte abnehmen. Zwar habe ich Backups auf dem Surface im Hotel, aber nicht das komplette Material. Andererseits heißt dann ja wohl „delete IT“ nicht „delete THEM (oder noch schlimmer, formate IT oder formate THEM, letzteres wäre dann technisch nicht ganz richtig). Lösche also vollkommen korrekt gemäß der Anweisung das letzte Bild und schaffe es, dass die Kamera nicht automatisch zur Anzeige des Vorgängerbildes springt. Könnte hier sonst angesichts von 50 Bildern Rohmaterial noch ein langer Abend werden. Ausserdem sind ein paar wirklich schöne Aufnahmen dabei.
Cobra 11 erkundigt sich sich abschließend: „All deleted“? Bejahe und entschuldige mich nochmals für das Versehen, packe dabei gleichzeitig rasch meine Sachen zusammen und erkundige mich als Ablenkungsmanöver nach dem eigentlichen Grund für das Fotoverbot. „Embassies and Consulates all over here“ geben sie mir noch mit, bevor wir uns voneinander in die Dunkelheit der Nacht verabschieden. Frage mich auf dem Weg ins Hotel, wer mich verpfiffen hat. Es trübt alles meine Laune kein bisschen, sondern ist eine bereichernde Erfahrung. Und am Ende ein schönes Foto und ein paar spannende Zeilen, weshalb ich es allerdings nicht wiederholen würde.
Air conditioned
2 traumhafte Tage in Abu Dhabi liegen hinter mir. Nach nur 4 Stunden Schlaf klappt die Rückreise wie am Schnürchen. Neben mir im Flugzeug sitzt ein Araber, der zum ersten Mal nach Deutschland reist. Wir unterhalten uns rege und er ist ganz begeistert vom „Land mit eingebauter Klimaanlage“. Wo ich nur trübes Grau und freudlose braune Fauna erspähe, geriet er beim Blick aus dem Fenster in Verzückung.
Frankfurt am Main hatte uns wieder, und was fällt mir neben den griesgrämigen Gesichtern deutscher Flughafenbediensteter auf? Das für die Koffertrolleys Pfand verlangt wird (sonst an keinem anderen Flughafen der Reise gesehen) und fremdländisch aussehende Passagiere an extra Kontrollposten einfach so auf dem Gang zur Personenkontrolle herausgezogen werden. Denke mir dabei, dass dieses Land gar nicht so toll ist, wie es denkt, und bin trotzdem happy, wieder hier zu sein.
Ausblick
Bevor es jetzt in den nächsten beiden Beiträgen wieder um hand- und fußfesten Laufsports geht (u. a. Halbtotalschaden beim Halbmarathon in Venlo und der noch zu absolvierende StrongmanRun auf dem Nürburgring (Bericht aus 2013) verspreche ich euch zum Abschluss Insights in die Kostenaufstellung und Planungen der Reise, nebst Paris und einer ganzen Menge Random Stuff. Stay tuned!