Open window: Erhöhte Infektanfälligkeit

In der Praxis kann man den Eindruck bekommen, dass hartes Training bzw. anstrengende Wettkämpfe infektanfälliger machen, also das Immunsystem schwächen. Die Rate infektbedingt kränkelnder Marathonis nach Wettkämpfen ist hoch. Bei starken Ausdauerbelastungen nahe der Leistungsgrenze ist das „Open Window“ Syndrom bekannt – eine besonders ausgeprägte Infektanfälligkeit nach hohem Trainingsreiz.

Grundsätzlich ist Sport für das Immunsystem von Vorteil: Der Kreislauf wird angeregt und die „Abwehrzellen“ werden gestärkt. Jede sportliche Betätigung verursache eine lokale Reizungen des Muskelgewebes, vergleichbar mit winzigen Entzündungen. Daneben kommt es im Gewebe zu kleinsten Verletzungen, die zwar nicht direkt spürbar sind, aber trotzdem vom Immmunsystem repariert werden müssen. „Fresszellen“ gehen an die Arbeit, um diese Unordnung wieder aufzuräumen, und das Gleichgewicht im Körper wiederherzustellen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Immunabwehr bei Sportlern besser und schneller funktioniert.

Werden die Abwehrzellen bei ihren Aufräumarbeiten durch das nächste jedoch Training gestört – oder war der Reiz zu stark – tritt eine kurze Erschöpfungsphase der Immunabwehr ein: Das wiederum öffnet Eindringlingen wie Viren (meistens) und Bakterien (selten) Tür und Tor. Aus eben diesem Grund wird diese Infektanfälligkeit nach dem „offenen Fenster“ benannt: Man wird leicht krank, die Krankheitserreger fliegen einem quasi nur so zu (Möglichkeit II: Ein ruhender Virus wird leichter reaktiviert). Außerdem sinkt im Körper die Zahl der Abwehrzellen, wenn beim Kampf um noch bessere Leistungen die Stresshormone ständig erhöht sind.

Im Körper respektive Immunsystem werden dabei die folgenden Änderungen im neuroendokrinen System beobachtet: Ein Anstieg der neutrophilen Granulozyten plus Abfall der Lymphozysten. Grund ist hier die belastungsbedingt hohe Konzentration im Blut von Adrenalin und Noradrenalin (Katecholamine), Wachstumshormone und Cortisol. Daneben vermehrte Phagozytose der Granulozyten und Monozyten als Zeichen einer Entzündungsreaktion auf von verletzten Muskeln freigesetzten Substanzen. Last but not least: Verminderte zelltoxische Aktivität der natürlichen „Killerzellen“, gedämpte Lymphozytenproliferation und Abfall der Immunglobulin-A-Konzentration in Nasenschleimhaut und Speichel. Bekannt auch als „Immundepression“. Je nach Experte, Trainingsreiz und Individuum soll dieses Fenster zwischen einigen Minuten, einigen Stunden (klassisch) oder länger (im Zustand des Übertrainings) offen sein.

Sportler tun grundsätzlich gut daran, ein Übertraining zu vermeiden. Nach harten Trainingseinheiten wie Wettkämpfen, Intervall- oder Tempotrainings, sollte besonders sorgsam auf die Gesundheit geachtet werden: Durchgeschwitzte Kleidung rasch wechseln, Unterkühlung vermeiden, Dehydrierung ausgleichen, die Regeneration fördern – und die erhöhte Infektanfälligkeit im Hinterkopf behalten. Dazu gehört im Falle eines Falles auch, eine Pause einzulegen – Stichwort Risiko Myokarditis.

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